RWB-Pfingstwanderfahrt 2023 von Wittring (Frankreich) nach Trier
Fangen wir einmal damit an: Wer glaubt, bei den legendären Pfingstwanderfahrten schon alles erlebt zu haben wurde eines Besseren belehrt. Ersatzkleidung auf einem absolut strömungsfreien, knapp eineinhalb Meter tiefen und zehn Meter breiten stillgelegten Kanal ist nicht nötig? FALSCH! Nachts ist es in Bootshallen dunkel? FALSCH! Ein Grill ist ein Grill, ist ein Grill? FALSCH! Ein Schwarm Rudernder besitzt keine Intelligenz? FALSCH! Nutella gehört aufs Brötchen und nicht in die Hose? RICHTIG! Moritz kann nicht rennen? FALSCH! Hier die Meldungen im Einzelnen…
Tag 1: Prolog oder „Beide Seiten Ruder lang!“
Der Prolog erforderte einen mehrmonatigen Schriftverkehr mit den französischen Behörden, eine kurzfristige handschriftliche Notumtaufe einiger Boote zum Abgleich mit den Vignetten der französischen Wasserstraßenverwaltung und die Abnahme des Gruppengelöbnisses aller Mitrudernder am Vorabend durch den Wanderfahrtenleiter „le triplet M“ auf die wichtigsten Paragraphen zur Vermeidung von Aufruhr. Zunächst belächelt, zeigt sich am nächsten Tag, wie vorausschauend die französischen Behörden waren, aber dazu gleich mehr… Zunächst verzögert sich die Abfahrt (heute sind es nur 30 km) der vier Boote gaaanz leicht aufgrund eines mittels Taxi spionageartig nachzuliefernden Tütchens mit Schrauben der Arthur Peters. Eine perfekte Gelegenheit, sich gleich beim Start in Wittring einmal auf das französische savoir-vivre mit diversen cafés einzustimmen; alors! Dann verspricht der ruhige, schmale, stille, idyllische Saar-Kohle-Kanal (Canal des Houillères) eine sanft gleitende Einstimmung für die vier Boote Arthur Peters, Glarus, San Sebastian und Uschi Gross. Womit zu diesem Zeitpunkt noch niemand rechnet: Am 26. Mai gegen 11:18 Uhr nutzt Obmann Jens die Gelegenheit, seine entspannte Besatzung in der Uschi Gross einer unangekündigten Katastrophenübung auszusetzen. Vogelgezwitscher, sanfte Briese, Sonne, Stille, da ertönt aus dem Nichts der Befehl „Beide Seiten Ruder lang“. Was Obmann Jens nicht ahnt: Seine Mannschaft hält sich an den Befehl, macht beidseits die Ruder lang! Der Zwischenruf „wirklich beide Seiten?“ wird geflissentlich überhört. Dann geht es ganz schnell. Ein Schmetterling landet auf einer Dolle, bringt das Boot aus dem Gleichgewicht, ein Schrei, die Mannschaft kann das Boot nicht halten und kentert. Kentert? Im Kanal? Echt jetzt? Echt jetzt! „Sind das etwa unsere Leute da mit dem Kiel oben“? Michael kann es nicht fassen. Angesichts dieses Tagesthemas treten die neun (!) an und für sich beeindruckenden kleinen Schleusen, begleitet von unserem persönlichen „éclusier“, ganz in den Hintergrund. Auch in der Mittagspause in Saargemuines mit einer von Wolfram gestifteten „pause pâtisseries française“ gibt es nur ein Thema. Abends bei „Hilde und Heinz“, unweit der Saarbrücker Rudergesellschaft „Undine“ wird der Tathergang erneut nachvollzogen und es entsteht allmählich das Narrativ des verhaltensauffälligen Bootes, das von Stund‘ an in die Annalen der RWB eingehen wird. Erst die Nachtruhe erlöst unsere Rudernden, jedenfalls die, die nicht in der neonhellen Bootshalle mit über die Augen gezogenen RWB-Halstüchern Schlaf suchen, Stichwort „hochsensibler Bewegungsmelder“…
Tag 2: Industrie-Romantik und Grill-Romantik
Vergleichsweise ruhig aber auch landschaftlich abwechslungsreich verlaufen die 23 km von Saarbrücken nach Dillingen. Nun sind wir vollzählig: Insgesamt 28 Personen in fünf Booten, die Christel kommt heute als fünftes Boot noch dazu. Jeweils drei Personen haben Landdienst und 25 sind auf dem Wasser unterwegs. Dank der guten Streckenbeschreibung von Ruth verpassen wir zumindest vom Wasser aus weder den saarländischen Landtag, noch die Saarbergwerke oder das Völklinger Werk der Saarstahl AG (jetzt Museum und Weltkulturerbe Völklinger Hütte). Der Hafen Dillingen mit seinem Kanuclub wird unser festliches Grillabenddomizil. Doch halt, bevor Thömie – the Head of Barbecue – sein kunstvolles Werk antritt, müssen Ekkehard und York, unsere beiden ‚Master of the Grilldesaster‘, eben diesen brandneuen Grill unter lauten Zwischenrufen und guten Ratschlägen („da fehlt doch eine Unterlegscheibe“) erst einmal aufbauen; es gelingt. Die Rede unseres Fahrtenleiters MMM an das Rudervolk fällt gleichmütig und moderat aus, vermutlich auch, weil erste Anzeichen von Heiserkeit bereits das Schwinden seiner Stimme ankündigen. Müde und satt geht’s in die Betten und Zelte.
Tag 3: Saarschleife und Saarburg
Ein landschaftlicher Leckerbissen der Tour erwartet uns heute. Die Fahrt durch die Saarschleife ist spektakulär und wie der Landdienst später zeigen kann, sind es die Bilder hoch oben vom Baumwipfelpfad aus noch viel mehr. Die insgesamt 45 km lange und sonnige Strecke von Dillingen nach Saarburg braucht Pausen und bekommt sie auch. Die mittägliche Stärkung mit Obst und Würstchen wird dankend angenommen und bei der Ankunft im wunderschönen Saarburg erwartet uns eine Abkühlung von außen mit Schlauch und von Innen mit Bier. Beim Italiener, der uns gütigst aufnimmt, werden zunächst in aller gebührenden Feierlichkeit Ekkehard Eysel auf den Namen „Ekkehard, der mit dem Schraubenzieher den Grill bezwingt“ und Daniel Grave auf den Namen „Daniel, der mit dem Lasso schleust“ getauft! Herzlichen Glückwunsch! Schließlich wird der zwischenzeitig völlig verstummte Wanderfahrtenleiter Michael mit einer Flasche „Tohuwabohu“ geehrt und gebührend gefeiert! Dank und Ehre, wem Ehre gebührt.
Tag 4: Von Saarburg bis Trier
Der Morgen bringt erneut die wiederholt unter Beweis gestellte Schwarmintelligenz der Gruppe zu tage. Brötchen besorgen, Kaffee machen, Frühstücken, Taschen packen, Zelte abbauen, Abwaschen, Bus beladen und so weiter. Alles greift irgendwie ineinander. „Habt ihr keinen Frühstücksdienst?“ Nein, haben wir nicht. Aber wieso funktioniert‘s trotzdem? RWB-Schwarmintelligenz halt. Jede/r macht, war er/sie kann. Kostprobe gefällig? Das „Boote zu Wasser lassen“ als Gemeinschaftsleistung, orchestriert von Ali Linke. „Reisegruppe Glarus bitte ans Boot“. Alles läuft rund. Fast alles. Wenn da nicht das fehlende Nutella wäre. Wo findet es sich? In der Hose von Moritz. Ja geht’s noch. Der zu Schabernack aufgelegte scheint unterfordert zu sein und neckt Sofie mit Eiswürfeln im T-Shirt, das hätte er besser gelassen. Mann o Mann, kann Moritz rennen! Wer hätte das gedacht. Zurück zum Rudern: Wir verlassen Saarburg in Richtung Trier. Unsere Tagesetappe von 24 km ist zwar kurz, aber knackig. Sie führt uns bei Konz in die Mosel und dann weiter nach Trier bei argem Gegenwind. Dann die Ankunft bei der Rudergesellschaft Trier von 1883, das Abriggern, Reinigen und Aufladen der Boote, gewohnt reibungslos und gemeinsam.
Was bleibt? Wunderschöne Landschaften, bunt gemischte und abwechslungsreiche Bootsbesetzungen, schöne Tagesetappen, bestes Wetter die ganze Zeit und eine so angenehme Stimmung, dass man gleich wieder losfahren möchte!
(Frank Oswald)