Landeshauptstadt Wiesbaden z.Hd. Herrn Oberbürgermeister. Wiesbaden, 12.12.2021
Gert-Uwe Mende Schlossplatz 6
65183 Wiesbaden
Offener Brief
cc Stadtpolitik und Wiesbadener Presse
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Mende,
ruderbegeisterte Schüler, junge Leistungssportler, Breitensportler und viele engagierte und ehrenamtlich tätige Wiesbadener sind bestürzt und maßlos enttäuscht über die kürzlich erfolgte Sperrung des viel genutzten schwimmenden Bootshauses für den Schul- und Vereinsrudersport im Schiersteiner Hafen („Schiersteiner Bootshaus“).
Bereits im Februar 2017 war das Schiersteiner Bootshaus wegen Sicherheitsbedenken mehrere Wochen gesperrt. Jahrelanger Instandhaltungsrückstand hatte zu einer Havarie geführt. Der Fäkalientank zur Aufnahme des Brauchwassers war abgerissen bzw. undicht. Die sanitären Einrichtungen des Bootshauses sind bis heute unbrauchbar gemacht. Es gibt für die rudernden Schüler und Vereinssportler unserer Stadt keine Duschen und anstelle ordentlicher Toiletten sind einfache Dixi-Klos an der Straße aufgestellt. Es muss nicht weiter ausgeführt werden, dass Duschen nach dem Wassersport oder dem Kontakt mit dem Hafenwasser, insbesondere bei kalten Temperaturen, eine Notwendigkeit darstellt.
Bereits zwei Monate nach der Havarie wurde am 6. April 2017 bei einem runden Tisch mit Beteiligung des Schulamts und des Hochbauamts festgestellt, dass sich das havarierte Bootshaus nicht instand setzen lässt und neu gebaut werden muss. Es gibt somit seit nahezu 5 Jahren einen bekannten und dringenden Handlungsbedarf.
Diesem Handlungsbedarf ist die Stadtverwaltung bisher nicht gerecht geworden, es gibt keine uns bekannten konkreten Fortschritte, wie zum Beispiel eine genehmigungsfähige Planung oder einen geplanten Baubeginn. Und nun die leider die spontane Sperrung, deren Dauer für uns nicht absehbar ist.
Wir sind bestürzt, weil der Rudersport für weit mehr als 100 Kinder und Jugendliche eine wichtige oder sogar die zentrale Rolle in ihrer Lebensphase spielt. Sie verfolgen im Rahmen des Schulunterrichts, sowie ha?ufig gleichzeitig als Vereinsmitglied bei der Rudergesellschaft Wiesbaden Biebrich 1888 e.V., sportliche Ziele auf Regatten. Sie pflegen in diesem Umfeld ihre sozialen Kontakte und entfalten ihre Persönlichkeiten. Diese jungen Mitglieder unserer Gesellschaft mussten bereits durch die Covid-19-Krise Bürden durch Schulschließungen und Kontaktsperren auf sich nehmen. Der Sport im Freien konnte hier in vielen Fällen einen Ausgleich bieten. Durch die Untätigkeit der Stadtverwaltung in den vergangenen 56 Monaten wurde den Kindern und Jugendlichen dieser Ausgleich und die sportliche Perspektive nun gänzlich genommen. Das gilt natürlich erst Recht für die leistungssportlich ambitionierten Trainierenden der Rudergesellschaft Wiesbaden-Biebrich.
Das gegenwärtig gesperrte Schiersteiner Bootshaus wurde im Februar 1985 im Schiersteiner Hafen festgemacht. Nachdem das alte Bootshaus im Herbst 1983 nicht mehr zu reparieren war, dauerte der Ersatz damals nur knappe 18 Monate. Die Rudergesellschaft war mit ihrem Sachverstand in die Planungen mit dem Ziel einer gut funktionierenden Einrichtung eng eingebunden.
Unsere maßlose Enttäuschung resultiert aus dem leicht abzusehenden, ungebremsten Verfall des Bauwerks und somit der Vermeidbarkeit der Sperrung. Der Verfall war bereits lange Zeit vor der Havarie offenkundig. Anstelle „atemberaubender Geschwindigkeit“, wie es in anderen Fällen möglich ist, sehen wir Stillstand und Verweigerung.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir fordern nun Sie als Oberhaupt der Stadtverwaltung und als Sportdezernent zum unverzüglichen Handeln auf.
Wir stehen mit unserem mehrfach bewiesenen ehrenamtlichen Engagement gerne bereit, um im Rahmen der Mo?glichkeiten unseres Vereins Unterstützung zu leisten. So bieten wir an, mit dem für unsere schwimmende Anlage in Biebrich zuständigen Statiker und Sicherheitsingenieur über die (plötzlich) aufgetauchten Sicherheitsaspekte, die zum Betretungsverbot führten, zu sprechen. Dazu müssten sie aber bekannt gemacht werden.
Die Rudergesellschaft verfolgt Kraft Satzung gemeinnützige Zwecke. Zum Zeitpunkt der Gründung als Wiesbadener Ruderclub in Jahre 1888 war das erste Domizil am Schiersteiner Hafen. 1925 wurde das Bootshaus in Biebrich bezogen. 1971 kehrte die Rudergesellschaft mit einem schwimmenden Bootshaus im Schiersteiner Hafen dann zu ihren Wurzeln zurück, um die strömungsfreie und geschützte Lage als Trainingsmöglichkeit für den Schul- und Leistungssport zu erschließen. Wir wissen aus Erfahrung, dass eine erfolgreiche Anfängerausbildung im Rudersport und ambitionierter Leistungssport nur vom Schiersteiner Bootshaus aus betrieben werden kann.
Die Rudergesellschaft hat 320 Mitglieder. Seit 1970, der Einweihung des ersten Schiersteiner Bootshauses, besteht zudem eine vertiefte Kooperation mit den Schulen, die interessierten Schülern den Leistungskader des Vereins öffnet, um sich auf Regatten dem Wettbewerb zu stellen. Dies hat vielen jungen Menschen ermöglicht, ihre sportlichen Ambitionen zu verwirklichen und Meister auf Bundes- und Landesebene hervorgebracht. Teilnehmer bei Olympia und bei Weltmeisterschaften, auch im Deutschlandachter, haben ihre rudersportlichen Karrieren hier begonnen und vorangetrieben. Wir erinnern an die herausragenden Erfolge von Sebastian Schulte, von 2001 bis 2007 Mitglied im Deutschlandachter und 2006 Weltmeister in Eton und Christina Berchtold, die 2015 Weltmeisterin im Juniorinnenachter für die Rudergesellschaft Wiesbaden Biebrich wurde. Beide haben in Schierstein ihre ersten Ruderschläge gemacht. Schaffen Sie die Möglichkeit, weitere Kapitel in dieser Wiesbadener Erfolgsgeschichte aufzuschlagen.
Mit rudersportlichen Grüßen
Der Vorstand der Rudergesellschaft Wiesbaden-Biebrich 1888 e.V.
Dr. Andreas Hasse Thomas Hanfler Christiane Hasse Sebastian Krug Ulrike Seib
Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte unter der eMail-Adresse info@rgwb.de an unseren Beirat Öffentlichkeitsarbeit, Hr. Lars Bremermann.