Aus dem Leben eines Fahrtenleiters
Oder wie ich die perfekte Wanderfahrt plante, …die dann ganz anders ablief!
Mit Dank für die tolle Unterstützung durch meine Co-Fahrtenleiterinnen Barbara und Christiane
The same procedure as every year: An Pfingsten gibt´s die große Vereinswanderfahrt der RWB und jeder darf mit. Zumindest diejenigen Mitglieder, die für 4-5 Tage und für 6-7 Stunden pro Tag genug Sitzfleisch auf dem Rollsitz besitzen, Ausdauer für Tagesetappen von 40-50 Kilometer haben und noch jede Menge Spaß vertragen. Und sich auf die obligatorischen Luma-Übernachtungen in Bootshallen oder Zelt freuen.
Erste Überlegungen im November/Dezember 23: Wo soll es hingehen? Die Saar war letztes Jahr dran, davor bereits Neckar und Main. Also Elbe oder Berlin? Zu weit weg für 4 Tage. Weser? Zu kompliziert für An- und Abreise mit der DB. Also, warum nicht mal wieder ab Biebrich vom Vereinssteg starten und durch das Weltkulturerbe Mittelrhein nach Köln und als Zulage (Epilog) noch 53 km bis nach Neuss rudern. Erspart uns am Anfang auch den Transfer der Boote zu einem Startpunkt.
Ausschreibung der Fahrt per Mail. Mailversand am 15.02. um 16:35 Uhr. Am 16.02. um 20:40 Uhr ist die Tour, fast wie bei den Rolling Stones, ausgebucht bis auf 2 Restplätze!!! Ein paar Teilnehmer wollen erst ab Tag 2, wieder andere können aber nicht am Epilog teilnehmen. Das wird kompliziert.
Los geht´s mit der Orga: Rudervereine bei erträglichen Tagesetappen raussuchen und für eine ÜN von ca. 25-28 stinkenden, lauten, durstigen Ruderern anfragen. Rückfrage von dort: Wie viele Teilnehmer, achtundzwanzig?? Und ihr wollt auch noch unseren Getränkekühlschrank leertrinken, oh Gott?? Bacharach meldet erst auf 2-malige Nachfrage ok, aber zeitgleich noch einen weiteren Verein mit bis zu 15 TN bei nur einer Dusche und je einer geschlechtergetrennten Toilette im Bootshaus. Anfrage bei der DJH hoch oben in der Burg als ÜN-Alternative. Bereits ausgebucht! Also Ausnahmsweise mal die Freigabe erteilen zur Pensions-/Hotelübernachtung. RG Lahnstein, WSV Bad Honnef sagen schnell zu, wollen aber Vorkasse, sonst gibt’s keinen Schlüsselcode. Köln (KRV77) ist unkompliziert, hier bin ich vertrauenswürdiger Besitzer eines Gästechips. Nächster Schritt: die Tagesetappen halbieren für eine Mittagspause und Landdienstwechsel. So viele anlegetaugliche Stege gibt es aber nicht auf der Strecke, daher über Google-Maps noch geeignete Kiesstrände ausbaldowern zum Anlegen und „amphibischem“ Aussteigen.
To-do-Liste schreiben um nix zu vergessen, Restaurants für 28 hungrige und verfressene Ruderer suchen, anfragen und bestätigen. Barbara sucht derweil Bäckereien für die Brötchenbestellungen zum Frühstück und ordert in Kompaniegrößen, stellt Einkaufsliste für den traditionellen Grillabend zusammen. Ganz viele Steaks und Würste, aber auch genügend Grünfutter und Ziegenkäse, Gemüse für die Vegetarier/Veganer, was die Allesfresser ohnehin den Gemüsefreunden wieder wegfuttern werden.
Christiane und Barbara spielen einen Nachmittag lang Rollsitz-Sudoku und verteilen alle Teilnehmer für alle 5 Tage auf 5 Boote, 25 Rollsitze und 2 Landdienste. Nach Möglichkeit täglich wechselnd und mit den richtigen Obleuten.
Erste Anfragen beim Fahrtenleiter, ob noch Hotelbetten in Bacharach frei sind. Gibt’s auch Brötchen für die Hotelübernachter, ich möchte dann noch 2 Stück extra für das Lunchpaket??? Warum muss/sollte ich das wissen???
Ich organisiere noch 9 Ersatzruderer beim Neusser RV die uns helfen sollen, damit alle Boote beim Epilog von Köln nach Neuss gerudert werden können.
1. Update per Mail an die TN: Denkt bitte an eure Luma, Schlafsack, Frühstückbesteck, etc. und kommt pünktlich zum Start an den Steg in Biebrich. Rückfrage: Wann werden denn vor dem Starttag die Boote abgeriggert und auf den Hänger verladen (siehe 2. Absatz)???
10 Tage vor dem Start die erste Absage, passt aber noch, wir ändern die Boote und nehmen statt der Uschi (4x+) nun die Europa (3x+) mit. Erster Blick auf die Wetterprognose, Tendenz weiterhin unbeständig und steigende Pegelstände, naja, wird schon noch passen? Telefonische Nachfrage bei allen Vereinen, Restaurants, Bäckereien ob alles klappt und die Reservierungen und Bestellungen stehen. Klappt alles, nun kommt aber angeblich in Bacharach doch kein 2. Verein zur Übernachtung, prima.
Drei Tage vor dem Start: Noch 2 Absagen, damit Reduzierung Landdienst auf 1 Person und komplette Änderung der Bootseinteilungen (nochmal Sudoku spielen!!) damit es wieder passt. Wettervorhersage im Blick behalten bei Gewitterneigung, Dauerregen und stark steigende Pegelstände ab Koblenz. Wanderfahrt komplett absagen? Nein, auf keinen Fall, das Wetter wird ja am Steg gemacht!
Zwischenzeitlich mal kurz 2 Tage vorm Start noch den Hänger nach Neuss zum Zielort gefahren.
2. und 3. Update an die Teilnehmer: Achtung, unbedingt Wasserschuhe mitnehmen und der Start wird auf 9 Uhr vorgezogen wegen der Gewittervorhersage am Nachmittag. Wieder Rückfragen zum Startzeitpunkt. Warum eigentlich werden Mails entweder gar nicht oder nur bis zum Betreff gelesen???
Freitag, den 17. Mai: Es geht endlich los, alle pünktlich, Wetter (noch) trocken, um 10:30 Uhr sind alle Boote auf dem Wasser nach Bacharach, es fängt nun pünktlich an zu regnen, ich mache Landdienst zum Gepäcktransport.
Nach 2 Stunden Anruf aus den Booten in Geisenheim, warum gibt’s hier (vom Landdienst?) keinen Kaffee und Kuchen? Kaffee und heißen Tee gibt´s stattdessen in Bacharach. Plötzlich tauchen gegen Abend doch noch 5 Düsseldorfer Boote aus dem Regen zur ÜN in Bacharach auf. Zum Glück nur 4 Personen zusätzlich im Bootshaus, der Rest der Düsseldorfer schläft in Hotels.
Samstag, den 18. Mai: Nach viel Wasser in den Booten von oben, von Backbord und Steuerbord, aber vor allen Dingen wegen des senkrecht steigenden Pegelstands in Koblenz durch das Saar- und Moselhochwasser, fällt am Abend die Entscheidung zum Tourabbruch in Lahnstein und alternativer Weiterfahrt auf der Lahn in Richtung Bad Ems. Dann halt so!
Spontane Zusage der RG Lahnstein für weitere Übernachtungen und telefonische Absage der weiteren Vereins-ÜN in Honnef und Köln, der Restaurants und Brötchenbestellungen und Storno der Neusser Ruderunterstützung beim nun obsoleten Epilog.
Sonntag, den 19. Mai: Große Augen beim Aufwachen, der Lahnsteiner Steg schwimmt nun 5 m entfernt vom Ufer, der Landgang ist 1m durch steigendes Hochwasser überspült. Jetzt reicht´s uns irgendwie. Nach dem Frühstück Hängerabholung in Neuss währenddessen die Boote abgeriggert werden und die Mannschaften die Flucht nach Hause antreten.
Jetzt kommt die Sonne und lacht (uns aus).
Allen Widrigkeiten zum Trotz hat die RWB-Pfingstwanderfahrt 24 (auch mir) wieder mal viel Spaß gemacht, es wurde viel gelacht, im Regen, im Boot, beim gemeinsamen Essen, spontanen Terrassen- Yoga, Tanzkurs, usw. Die Schwarmintelligenz hat bei allen spontanen Änderungen hervorragend funktioniert, jeder hat seinen Teil bei dieser gut durchgeplanten, aber letztendlich chaotisch verlaufenden Wanderfahrt beigetragen.
Vielen, vielen Dank dafür und für das Kilo nussige Nervennahrung für den Fahrtenleiter. Ich freue mich auf Pfingsten 2025 ;-).
Ach so, demnächst steht jetzt nur noch die Abrechnung der Fahrtenkasse an.
Michael MM
Foto rechts: Die gebändigte Truppe der Wanderfahrer vor dem abgesoffenen Steg in Lahnstein. Laune: Top!!