Rush-Hour auf der Spree
„Tausende rudern und paddeln durch die Innenstadt“
titelt der RBB seinen Fernsehbeitrag vom 13. Mai 2023.
Das Ereignis war jedoch keine woke Klimademo auf dem Wasser, sondern die jährliche Stadtdurchfahrt quer durch die Hauptstadt.
Was war das Besondere an diesem sonnig warmen Samstag?
Die sonst für Ruderboote gesperrte Teilstrecke der Spree im Regierungsviertel von der Oberbaumbrücke bis zur Lessingbrücke durfte befahren werden. Einmal im Jahr organisieren der Landesruderverband und der Landes-Kanu-Verband Berlin diese Ausnahme. „Der Betrieb für muskelbetriebene Sportboote ist sonst verboten, weil es einfach zu viel touristische Schifffahrt gibt“, erklärte eine Vertreterin des Landesruderverband, der alles bestens organisiert hat, verkehrsgeregeltes Schleusen, Dixi-Klos an der Strecke inklusive. Rund 1.400 Teilnehmer hatten sich angemeldet aber es waren weit mehr, die den Tag auch im Kanu, im Drachenboot oder auf dem Stand-up-Board nutzten.
Da Berlin bekanntermaßen immer etwas bietet, wollten wir, Christine, Thomas und ich (Klaus), uns diese Gelegenheit einmal durchs Regierungsviertel zu rudern nicht entgehen lassen Berlin einmal aus anderer Perspektive zu sehen und den ganzen Spreebogen zu durchrudern.
Die Hürde zur Teilnahme ist niedrig, für 35 € Anmeldegebühr bekamen wir einen Rollsitz in einem Berliner Boot, Anreise also ohne Bootstrailer möglich. Stefan Biastock vom Ruderclub Kleinmachnow hat alles für die etwa 70 gemeldeten Ruderinnen und Ruderer aus dem Rest der Republik prima organisiert: 3 Tagesetappen von ca. 35 km, inklusive Bootseinteilung nach unkomplizierter Absprache. Bemerkenswert war die freundliche Hilfsbereitschaft der Vereinsjugend beim Ablegen und Anlegen der Boote.
Start der ersten Etappe am Freitag im grünen Stahnsdorf an der schönen, mehr als 100 Jahre alten Doppelschleuse. Ziel war die Rudergesellschaft Wiking in Neukölln durch den Teltowkanal, eine Verbindung der Potsdamer Havel mit der Spree. Vorbei am Tempelhofer Hafen, dem schönen Ullsteinhaus in beeindruckendem Backsteinexpressionismus zur RG Wiking an einer richtigen Wasserstraßenkreuzung gelegen.
Am 2. Tag lag noch ein Stück Teltowkanal vor uns und dann bogen wir in Treptow ein in die Spree. Ein großes Becken mit vielen Freizeitmöglichkeiten, den riesigen Molecule-Men und am Horizont die Oberbaumbücke. An allen anderen Tagen im Jahr rudert man den Landwehrkanal entlang, aber heute ging es unter der Oberbaumbrücke durch, am Berliner Dom vorbei, der Museumsinsel, dem Bahnhof Friedrichstraße hinein ins Regierungsviertel. „Mitten durchs ARD-Studio“, wir durchruderten die bekannte Spreeschleife, der Hintergrund für die Interviews der Tagesthemen.
Etappenziel war der Märkische Ruderverein, in Spandau am Pichelssee, schon an der Havel gelegen. Am nächsten und letzten Tag ging es durch die Havel, über den Großen Wannsee wieder zurück zum Startpunkt, nach Stahnsdorf.
Auf den letzten Rudertag mussten leider einige Teilnehmer verzichten, der angekündigte und kurzfristig wieder abgesagte Bahnstreik hatte Kreativität und früheres Abreisen erfordert, denn die Teilnehmer kamen aus allen Teilen Deutschlands, auch eine von anderen Ruderevents bekannte, immer fröhliche Frauencrew aus den Niederlanden war ebenfalls mit dabei.
Schön war es, das Wetter konnte nicht besser sein, die Atmosphäre war fröhlich und entspannt, die Organisation war herrlich unkonventionell. Okay, an der Verpflegung kann noch gearbeitet werden (Selbstkritik der Wanderfahrtenleitung), aber 70 hungrige Ruderinnen und Ruderer sind halt auch eine Aufgabe.
Auf jeden Fall ist die Berliner Stadtdurchfahrt zu empfehlen, auch wenn es viele andere Wege durch Berlin gibt.
Klaus Mehnert