Fit durch den Winter - Bronze für RWB-Team beim Alster Ergo-Cup
Das Ruderergometer: den einen ein Folterinstrument, ersonnnen zur Knechtung freier Ruderer, den anderen ultimatives Trainings- und Wettkampfgerät mit objektivem und exaktem Feedback zur Leistungskontrolle. Die einen lieben es, die anderen hassen es, aber keinen lässt es so richtig kalt. Wie man es aber auch damit hält, es ist aus dem modernen Rudern nicht mehr wegzudenken, spielt als wetter- und wasserunabhängige Trainingsmöglichkeit eine große Rolle und hat ganz nebenbei dem Rudersport zu einer größeren Popularität verholfen, steht doch in praktisch jedem Fitnesscenter, das etwas auf sich hält auch ein Ruderergometer, neben den altbekannten Laufbändern und Fahrradergometern, Steppern etc.
Auf diesem kontroversen Gerät finden ganze Wettkampfserien statt und es hat sich eine eigene Szene entwickelt, von Sportlern, die zum Teil noch nie in einem Boot gesessen haben, auf dem Ergometer aber Höchstleistungen erbringen. Auch außerhalb des Ruderverbands gibt es dazu Wettkämpfe, die in Präsenz aber auch häufig elektronisch unterstützt ablaufen.
Einer dieser Wettkämpfe ist der Alster Ergo-Cup (AEC), der in zwei Varianten ausgetragen wird, in Präsenz in Hamburg oder virtuell. Nachdem ich während der Pandemie an der offenen britischen Indoor-Rudermeisterschaft (BRIC) teilnahm, hatte mich das Ergometerfieber gepackt und so konnte ich auch nicht an mich halten, als ich vom AEC erfuhr. Da fast alles mehr Spaß macht, wenn man es mit anderen zusammentut und im AEC ab fünf Personen eine Mannschaftswertung angeboten wurde, versuchte ich in der RWB ein Team zusammenzubringen. Mit freundlicher Unterstützung des Vorstands, gelang das dann auch und nach dem Abrudern war klar, wir wollen es versuchen.
Der AEC ist eine Wettkampfserie, die sich von November bis in den Februar zieht. Neun Rennen (500m, 1.000m, 2.000m, 6.000m, 30min, 10.000m, 60min, Halbmarathon und nochmal abschließend 1.000m) sind in 5 Blöcke aufgeteilt, in denen - abgesehen vom ersten Block, der nur aus den 500m besteht - immer zwei Distanzen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden zu fahren sind. Die beste Leistung jedes Blocks geht dann in die Wertung ein.
Neben der Einzelwertung, an der alle teilnehmen, können mit mindestens fünf Personen auch Mannschaften gebildet werden. Die Mannschaftsbildung muss sich nicht an Vereinsgrenzen orientieren, sondern ist frei. Es braucht nur einen gemeinsamen Namen. So traten wir gegen illustre Teams wie "Kein Verein", "RV BILLE BLEIBT", "Mecklenburger Knochendogs", "Team Spitzbuben" und "Sub7 IRC and Seal Personal Training" an. Aber auch Traditionsvereine z.B. aus Hamburg, Köln, Schwerin und Pirna waren am Start und sogar internationales Flair war vorhanden, durch Vertreter wie "Klub Veslaru Melnických 1881", "Ravalico Trieste" sowie "KGR De Hunze Groningen". Alles in allem also eine bunte Veranstaltung, die natürlich in Präsenz sicher noch toller gewesen wäre, was aber bei einer Rennserie mit neun Distanzen über vier Monate keine realistische Option war.
Unsere Mannschaft war ausgesprochen divers: eine Frau, ein Leichtgewicht, Altersgruppen von 16-17 bis zu 50-59. Von den Aktiven hatten wir mit Konstanze Hanisch als amtierender Vereinsmeisterin im Einer erfreulicherweise auch eine Frau im Boot. Tom Wagner war mit 16 Lenzen unser jüngstes Teammitglied. Salzbachpokalsieger Alexander Warren war ebenso dabei, wie Luis Cyprien Richardt und Gabriel Efstathiou. Die Seniorität wurde durch vier Masters-Ruderer eingebracht. Thomas Hanfler, unser langjähriges und verdientes Vorstandsmitglied und "früher Vogel" im Boot, wie auf dem Ergometer. "Drachenbootfahrer" Ralph Gottschald als einziges seniores Leichtgewicht sowie Neumitglied und reanimierter Rennruderer Mirco Sander und ich.
Unsere Mannschaft bestand also aus immerhin neun Personen und war damit hinreichend gut besetzt, um die nicht zu vermeidenden krankheitsbedingten oder terminlichen Ausfälle gut zu kompensieren. In die Mannschaftswertung gingen aus jedem Block die besten fünf Ergebnisse ein. Besonders schön war, dass alle Mannschaftsmitglieder mindestens auf einer Distanz einmal eines der besten fünf Ergebnisse beisteuern konnten. Dabei ergänzten sich die Stärken auf gute Weise. So konnten die "Alten" auf den längeren Distanzen tendenziell eher punkten, während die "Aktiven" aus der Trainingsgruppe ihre jugendliche Spritzigkeit insbesondere bis 2.000m ausspielten.
Es kamen sehr beachtenswerte Leistungen heraus und alle unterstützten sich gegenseitig. Soweit möglich trafen wir uns im Kraftraum an den verlängerten Rennwochenenden, um gemeinsam zu starten. Das Zeitfenster, in dem die Leistung zu erbringen war, ging von Freitag bis einschließlich Montag, so dass man also vier Tage hatte und schon eine wirklich gute Ausrede brauchte, warum es einem nicht gelingen sollte, innerhalb dieser Zeit den Weg aufs Ergometer zu finden.
Das besondere bei diesem Wettkampf war die Auswertungslogik, die nicht absolute Zeiten wertete, sondern diese am Weltrekord der Leistungsklasse relativierte. Damit - so jedenfalls die Theorie - wurden alle Ergebnisse über Alters-, Gewichts- und Geschlechtergrenzen hinweg vergleichbar, da sie als prozentuale Abweichungen zum jeweils gültigen Weltrekord ausgedrückt wurden. Im Einzelfall führte das allerdings zu seltsamen Ergebnissen. So hatte Tom in der Altersklasse 15-16 beim Halbmarathon eine Abweichung vom Weltrekord von 20,64%. Bei den 17-18-jährigen jedoch, wäre er mit seiner Zeit nur 19,19% abgewichen. Das wirft Fragen auf.
Solche Ergebnisse waren Gegenstand intensiver Diskussionen, die ich meinen Teamkolleginnen und -kollegen regelmäßig und nachdrücklich zu ihrem nur schlecht verborgenen Leidwesen aufdrängte. Zu meinem Bedauern waren nicht alle gleichermaßen motiviert statistisch-methodische Betrachtungen zur Relevanz von Extremwerten, der Vernachlässigung von Dispersionsmaßen und der besseren Lösung durch die Berechnung von z-Werten anzustellen. Unbedingt ein Thema für die nächste Veranstaltung "RWB im Dialog“.
Insgesamt traten 114 Personen aus 5 Nationen, organisiert in 36 Teams an. Im Ergebnis sind wir mit unserem dritten Platz in der Mannschaftswertung auf dem Podium gelandet und haben der RWB alle Ehre gemacht. Hinter dem Segeberger Ruderclub von 1926 e.V. und der Wassersport-Abt. Spvg. Polizei Hamburg "WSAP" v. 1920 e.V. erkämpften wir uns Bronze.
In der Gesamteinzelwertung des AEC ist Alexander Warren als Erster unseres Teams auf Platz 22 gelandet und verdient damit hier eine besondere Erwähnung. Unabhängig von den Ungereimtheiten des Auswertungsprinzips, ist die Teilnahme am AEC eine fantastische Möglichkeit, fit durch den Winter zu kommen. Ich jedenfalls habe fest vor, wieder teilzunehmen, hoffe dann allerdings auf statistisch interessiertere Teammitglieder ...
Matthias Mayer